Das Leben ist nicht sicher
Wir Menschen sind Gewohnheitstiere.
Sei es, was wir frühstücken, wir unsere Socken ausziehen, in
welcher Körper- oder inneren Haltung wir auf das Grünwerden
der Ampel warten oder wo wir unser Gemüse kaufen.
Gewohnheiten vermitteln uns scheinbare Sicherheit.
Unsere Tätigkeiten, Begegnungen, Erlebnisse und Erfahrungen
werden vorhersehbar.
Dann haben wir das Gefühl, wir alleine bestimmen was in
unserem eben geschieht.
Wir glauben, wenn wir an unseren Gewohnheiten festhalten,
haben wir die Kontrolle.
Dann seien wir sicher.
Dann gibt es keine Überraschungen.
Nichts, das uns aus der Bahn wirft.
Eine wichtige Voraussetzung für Gewohnheit ist, dass alle um uns herum mitspielen.
Da darf niemand aus der Reihe tanzen, oder auf die Idee kommen, etwas Gravierendes zu verändern.
Vor allem das Leben selbst nicht.
Das scheint ja manchmal ein Eigenleben zu haben, das Leben.
Wenn wir an Gewohnheiten festhalten, dann ist morgen wie heute, wie gestern und wie vor 3 Jahren.
Wie wunderbar entspannt und komfortabel.
Oder langweilig, einschläfernd, frustrierend und eintönig.
Es ändert sich nichts, wenn wir in unseren Gewohnheiten sind.
Das könnten wir fürs Erste positiv wahrnehmen.
Denn auch wenn unser Leben quälend farblos, unser Chef unausstehlich, unser Mann langweilig und
unser Rücken täglich verspannt ist, wissen wir, wie unser Tag abläuft.
Wir leiden zwar, aber ziemlich sicher ist, dass wir dennoch irgendwie überleben werden.
Wenn wir nicht aus Langeweile sterben.
Aber unserem Verstand reicht das.
Kämen wir jedoch auf die Idee, etwas verändern zu wollen, interveniert unser Verstand sofort mit „Ob
das gut geht…. Das ist aber sehr unsicher… was wird da wohl passieren … Bist Du sicher, dass Du das
überlebst?“
Und er hat Recht.
Es könnte ja alles passieren.
Im Leben ist alles möglich.
Deshalb mag der Verstand keine Veränderungen.
Ihm ist die Kontrolle in der Hölle lieber als die Ungewissheit im Überraschungsraum.
Und so verpassen wir durch das Festhalten an einer leidvollen, aber kontrollierten
Wiederholungsschleife unsere Chance auf Erfüllung.
Gewohnheiten sind auch, auf einen Reiz immer mit derselben Reaktion zu antworten.
Die Schwiegermutter ruft an und wir sind bereits genervt von dem, was sie sagen wird.
Ein dezentes Heben der Augenbrauen meines Gegenübers kann in unserer Vorstellung nur bedeuten,
dass wir etwas Dummes gesagt haben und wir jetzt schleunigst etwas Nobelpreismäßiges zum Besten
geben müssen.
Oder ein Stechen im Brustkorb bedeuten immer Herzinfarkt und baldiger Tod.
Veränderung bedeutet ja auch, dass das, was nicht so läuft und ist, wie wir es wollen, sich wandeln
darf.
Das wünschen wir meist sehr wohl.
Eine kontrollierte Korrektur, ohne Überraschungen, in einem Ausmaß, zu einem Zeitpunkt, in einer
Form die uns genehm sind und wir bestimmen.
Wollen wir uns entwickeln, wollen wir Neues erleben und Veränderung in unserem Leben, müssen wir
unsere Gewohnheiten loslassen.
Wie kann das gelingen?
Zuerst müssen wir unsere Gewohnheiten erkennen.
Was wiederholt sich immer wieder in unserem Leben?
Welche Erfahrungen machen wir wieder und wieder?
Welche (unangenehmen) Eigenschaften in Menschen regen uns immer wieder auf?
Welche ähnlichen Erlebnisse häufen sich in unserem Leben? Was ist darin der gemeinsame Nenner?
Auf welche Automatismen greifen wir in stressigen Situationen und unter Druck zurück?
Gewohnheiten beschneiden unser Potential auf das Leben zu reagieren.
Gewohnheiten verengen den Raum, den wir für Handlungen zur Verfügung haben.
Dann wird der Raum klein und ist mit bekanntem Gerümpel vollgestopft.
Mit sperrigem Zeug und Nippes. Mit Krempel, den in Wahrheit keiner braucht.
Auch, wenn wir es irgendwie schaffen sollten, den Raum zu vergrößern, er bleibt dennoch immer
begrenzt. Begrenzt durch unsere Vorstellungen davon, wie für uns die Welt funktioniert, unsere
Glaubenssätze, was möglich ist und was nicht, und unsere Ideen, was Leben bedeutet und wie es
aussehen kann.
Es ist Lebensraum, der durch Bewertungen und Urteile aus vergangenen Erlebnissen und durch
Traditionen, die wir in unserer Familie eben seit vier Generationen so leben, begrenzt ist.
Unvoreingenommener Raum dagegen ist frei, unendlich groß und ohne Barriere.
Dort ist das Potential endlos, die Möglichkeiten sind unzählig und nicht beschränkt.
Wenn wir uns auf diesen leeren Raum einlassen, ist alles möglich.
Auch wenn etwas schiefgeht, kann dieser Raum das halten.
Wir wählen dann einfach eine andere Möglichkeit.
Ohne Krise, Drama oder jahrelange Psychotherapie.
Aber das Leben in diesem unbegrenzten Möglichkeitsraum erfordert Mut.
Und Vertrauen. In unsere Kraft, unsere Fähigkeiten und das Wohlwollen des Lebens.
Und es erfordert die Erkenntnis, dass Sicherheit eine Illusion ist, überhaupt im Außen.
Das Leben ist nicht sicher.
Nie.
Es ist nicht kontrollierbar und vorhersehbar.
Lebendiges Leben ist veränderlich.
Nur Totes verändert sich nicht.
Das Ändern leben bringt Lebendigkeit in unser Leben.
Und Lebendigkeit in uns.
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